Entwicklung der Spielerberater-Branche (II)

Einleitung

Im vorherigen Beitrag haben wir einen detaillierten Einblick in die Anfänge der Branche gewährt und zwei wichtige Zeitabschnitte im 20. Jahrhundert thematisiert. Die gesamte Entwicklung ist jedoch in vier Perioden aufteilen:

• 1900-1960: Scouting und Vermittlung im Auftrag von Vereinen

• 1960-1995: Vertretung von Fußballspielern

• 1995-2015: Professionalisierung der Branche

• seit 2015: Ära der Superagenten

In diesem Beitrag betrachten wir die Professionalisierung der Branche bis hin zur Arbeitsweise der sogenannten „Superagenten“.

Professionalisierung der Branche

Im Jahr 1995 kam es zum Bosman-Urteil. Dieses veränderte die Funktionsweise des Fußballs in Europa grundlegend. In diesem Präzedenzfall gewährte der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Spielern nach Ablauf ihrer Arbeitsverträge mit ihrem ehemaligen verein die freie Handlungsfreiheit und garantierte ihnen die Freizügigkeit innerhalb der EU. Begünstigt wurde dieses neue Marktszenario durch das exponentielle Umsatzwachstum in der Fußballbranche. Der Wettbewerb stieg an und Pay-TV-Betreiber waren bereit, einen Aufpreis für die Übertragungsrechte von Spielen der Premier League zu zahlen. Von diesen Einnahmen profitierten nicht nur die Ligen, sondern auch die Vereine. Diese waren ihrerseits bestrebt, die besten Spieler zu verpflichten. Den Beratern bot sich so die Möglichkeit, die Verhandlungsmacht der Spieler und ihre Transferfreiheit auszuschöpfen.

Deswegen begannen die Klubs damit, sich mit Spielervertretern zu befassen, die die bestmöglichen Verträge für ihre Klienten aushandeln. Laut Deloitte gaben Premiership-Klubs in der Saison 2001/2002 insgesamt 475 Millionen Pfund für Spielergehälter und 323 Millionen Pfund für Transfers aus. In dieser Saison haben Berater etwa 46 Millionen Pfund verdient. Ein Finanzdirektor der Premier League sagte:

„An den Beträgen, die englische Vereine an Berater zahlen, ist nichts Ungewöhnliches. Jeder Verein hat seine eigenen Richtlinien, und tatsächlich würden die Höhe je nach Berater und der Lage des Vereins variieren.“

Aufgrund dieser Möglichkeiten stieg die Anzahl von Spielerberatern rasant. Bis Februar 2001 gab es weltweit 631 lizenzierte Agenten und diese Zahl stieg in den folgenden Jahren. In Europa stieg die Zahl der Fußballberater um etwa 1.000 pro Jahr, was etwa 300% Marktwachstum entsprach. Im Dezember 2009 gab es weltweit bereits 5.193 offiziell lizenzierte Spielerberater.

Neben den Vertragsverhandlungen umfasst die Rolle der Berater den Aufbau internationaler Netzwerke, um Spieler zu scouten und zu vermitteln. Sobald ein talentierter Spieler identifiziert wurde, organisierten die Vermittler kurzfristig Treffen mit Vereinen, mit denen sie bestehende und gute Beziehungen hielten. Um die besten Spieler zu identifizieren und zu verpflichten, sind es in einer globalen Welt große Investitionen in Fußballnetzwerke unerlässlich. Voraussetzung dafür ist, dass Fußballberater über fundierte Kenntnisse des weltweiten Profifußballs verfügen. Vereine haben zwar ihre eigenen Netzwerke. Aber gut vernetzte Berater fungieren oftmals als Bindeglied, wenn sich die Netzwerke der Vereine nicht überschneiden. So ist es den Beratern mögliche Migrationsflüsse und Vereinsstrategien zu steuern.

Die FIFA beschloss im Juni 2009, dass das Lizenzierungssystem durch einen neuen Ansatz tiefgreifend reformieren werden sollte. Ziel war es, die Mängel des bestehenden Regulierungssystems zu entfernen. Die FIFA-Mitgliedsverbände räumten ein, dass fast 75% der internationalen Transfers über nicht lizenzierte Agenten organisiert wurden. Der Vorschlag resultierte darin, dass Klubs und Spieler verpflichten wurden, den Einsatz von Vermittlern bei einem Spielertransfer zu dokumentieren.

Ein neues FIFA-Reglement zur Arbeit mit Vermittlern trat jedoch am 1. April 2015 in Kraft. Dieses versuchte nicht mehr, den Zugang zu der Branche zu regeln. Stattdessen war es die Aufgabe des einzelnen Nationalverbandes, die Aktivitäten selbst zu kontrollieren. Diese Änderung wurde von der FIFA genehmigt und von den wichtigsten Interessengruppen des Fußballs wie der FIFPro unterstützt. Die einzelnen verbände hingegen wurden dadurch stark beeinflusst und es kam zu einem Regulierungsvakuum. Daher war es unvermeidlich, dass es, anstatt eines einheitlichen Reglements, noch immer eine Vielfalt nationaler Regulierungen der Berufstätigkeit gibt.

Ära der Superagenten

Im modernen Fußball liegen die Ablösesummen und Spielergehälter noch viel höher als die benannten Zahlen aus der Saison 2001/2022. Hier sind die Gehaltskosten (in Millionen Euro) innerhalb der sogenannten ‘Big five’ Ligen in Europa zu erkennen. Zu Verdeutlichung beinhaltet das Beispiel die Saison 1996/1997 und die Spielzeiten zwischen 2011/2012 und 2020/2021.

Von 2009 bis 2015 wies die FIFA oft darauf hin, dass ihre Absicht nicht darin bestehe, eine Deregulierung vorzunehmen. Der Fokus lag darin, vermehrt auf einzelne Fußballtransaktionen zu achten. Die FIFA hat letztendlich jedoch die Vorschriften der Spielervermittler vollständig aufgegeben und die Anerkennung des lizenzierten Spielervermittlers als Beruf komplett außer Acht gelassen. Das Reglement von 2015  ist im Ansatz besonders interessant, da es sich auf die Regulierung von einzelnen Transaktion konzentriert und nicht auf die Regulierung einzelner Berater. Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Transfer Matching System. Dieses wurde im Jahr 2010 eingeführt und hat das Ziel, internationale Transfers von Spielern zu regulieren und zu überwachen.

Im Ökosystem des Fußball-Transfermarktes sind Spieler nicht nur Vertragsarbeiter eines Vereins, sondern in der Theorie auch Waren. Theoretisch können Spieler demnach als strategische Ressourcen gesehen werden, die Klubs dabei helfen, einen Wettbewerbsvorteil in ihrer Branche zu erlangen. Zusätzlich können Spieler Werte schaffen, wodurch sie sowohl zur Strategie als auch zur Finanzlage des Klubs beitragen. Spieler können als Vermögenswerte definiert werden, die kurz- bis mittelfristig an das Unternehmen gebunden sind und eine primäre Einnahmequelle darstellen.

Daraus folgt, dass unter anderem auch Fußballvermittler Wertschöpfungsketten schaffen, um von Spielertransfers zu profitieren. Im Fußballkontext sind Spieler wertvoll, selten, unnachahmlich und für ihre Klubs nicht ersetzbar. Die Aktivität von Vereinen im Scoutingprozess können daher als die wichtigsten strategischen Entscheidungen benannt werden. Im Gegensatz zu anderen Profisportarten kaufen Fußballvereine die Verträge von Spielern, deren Registrierungsrechte anderen Vereinen gehören, gegen eine Transferentschädigung auf. Dies bietet Möglichkeiten für Dritte, mit Vereinen auf dem Markt zu konkurrieren, um diese Ressourcen zu erwerben und wirtschaftliche Rednditen für sich selbst zu erzielen.

Wenn es also darum geht, ist der wichtigste Vorteil eines Fußballvermittlers das Netzwerk persönlicher Beziehungen, in denen er tätig ist. Im Zusammenhang mit dem Transfermarkt haben Dritte dazu beigetragen, Spieler in Ressourcen umzuwandeln. In dieser Hinsicht kaufen Investoren eine Beteiligung am Spielervertrag, die sie zu einem Anteil am finanziellen Vorteil aus dem Spielertransfer berechtigt. Man spricht dabei von Third-Party Ownership (TPO). Neben Spielerberatern gibt es auch andere potenzielle Stakeholder, einschließlich Holdinggesellschaften, Investmentfonds, Anteilseigner und Mitarbeiter von Klubs, Fußballakademien und sogar Fußballspieler sowie ihre Angehörigen.

Zusammenfassung

Die Entwicklung der Spielerberater-Branche war schon immer eng mit der Reform des Fußball-Transfermarktes und der Anerkennung der Arbeitsrechte von Fußballspielern verbunden. Dieser Aspekt zeigt, dass der Beruf des Spielerberaters in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der Spieler entstanden ist. So haben Berater und Vermittler eine relevante Marktposition erobert, die einige von ihnen zu Marktmachtverhalten und illegalen Verhaltensweisen missbrauchten. Darunter fallen Themen wie Bestechung, Kinderhandel und Steuerhinterziehung.

Derzeit ist ein TPO-Verbot in Kraft. Dieses wurde von der FIFA verabschiedet, die jeden Transfer über das TMS kontrolliert. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Verbot ausreicht, um die Verbreitung dieser Praxis dauerhaft und effizient zu begrenzen.

Ähnlich wie in vielen Branchen fungieren Spielervermittler als Investoren in Risikokapital. Sie sind bereit, Vereinen bei ihren Transferstrategien zu unterstützen und nutzen dafür die Rekrutierung und Karriereentwicklung von Fußballspielern. Gleichzeitig investieren sie viele Ressourcen in die Entwicklung der Spieler.

von Dr. Erkut Sogut und Luis Kircher

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